Wahlen in Indien - Freude und Frust

06. Juni 2024

Mitten im 'Nirgendwo' machte Narendra Modi Wahlkampf. Die meisten Medien wurden von ihm dominiert. Unsummen ließ sich seine Partei, die BJP, den Wahlkampf kosten. Freunde haben mir sogar von Wahlbestechung berichtet - danach bekamen Wähler zwei bis dreitausend Rupien für ihre Stimme. Modi war omnipräsent und wurde allseits als Retter der Nation gefeiert und von vielen sogar als Inkarnation Gottes gepriesen. Nun liegt das Ergebnis vor.

Erleichterung.

Meine Freunde und auch ich selbst sind erleichtert. 400 Sitze war das Ziel der BJP für die Parlamentswahlen - mit 353 wären 2/3 der Stimmen erreicht worden und Modi hätte die Verfassung ändern können. Nun aber gab es jedoch für Nationalisten, Träumer eines Hindu-Staates und auch für jene, die Indien zur religiösen Großmacht machen wollen, einen herben Dämpfer. Die Modi-Partei hat 63 Sitze im Parlament verloren. Mit 240 ist sie immer noch stärkste Partei und Narendra Modi wird wohl wieder zum Premierminister gewählt - aber die BJP ist auf Koalitionspartner angewiesen und die Opposition spürbar erstarkt. Aus einem religiösen Staat, in dem Hindus gefördert und alle anderen klein gehalten oder gar vertreiben würden, wird nun nichts. Indien bleibt eine bunte Gesellschaft mit säkularer Verfassung und hat (zumindest vorerst) seine Demokratie gerettet. In den Medien werden primär die Muslims als von den Hindu-Nationalisten bekämpfte Minderheit erwähnt. Sie alle werden sich nun über dieses Ergebnis freuen. Was medial weniger bekannt ist: Alle Nicht-Hindus sind seit der RSS-Mann Modi 2014 an die Macht kam, vielen Repressalien bis hin zur Lynchjustiz ausgesetzt. Die Christen sind nach den Muslims zweitgrößte 'Minderheit' in Indien. Alle meine Freunde in Indien sind nun extrem erleichtert, wenn auch längst nicht zufrieden. Auch wenn die Regierung aus Indien keinen Hindustaat machen kann - die cleveren Schachzüge der Nationalisten werden weiter zum Ziel haben, alle Opposition und die Vielfalt zu beschneiden. Trotzdem: Gott sei Dank.

Ach ja - ob die vielen Gebete der Christen den Ausschlag für das schlechte Abschneiden der BJP gegeben haben? Meine Freundinnen und Freunde in Indien und auch ich selbst glauben dies. Gott handelt ja immer in und nicht jenseits der Geschichte. Auch 'Wunder' kann man meist wunderbar erklären - und das versuchen jene, die dieses Wahlergebnis niemals prognostiziert haben, jetzt ja auch. Den Gott der Christen, Jesus als Gebetserhörer,  einzubeziehen, halte ich für angebracht und klug.

Frust.

Ja, es gibt auch Frust-Ergebnisse. Davon sind unsere Partner in der GSELC direkt betroffen. Der bis dato in Indien letzte christliche Ministerpräsident Jagan Mohan Reddy in Andhra Pradesh, von vermutlich allen Christen heiß geliebt und verehrt, wurde mit Verlusten von 90% abgewählt. Sein Vorgänger Chandrababu Naidu regiert nun erneut und ist eine Kooperation mit der BJP eingegangen. Auch im Bundesstaat Odisha ist die BJP nun am Drücker. Bereits zuvor hatten die Hindu-Nationalisten zum Leidwesen der Christen dort großen Einfluss. Nun stellen sie mit einem Adivasi, der zugleich der RSS angehört und deren Feldzug gegen Christen und Moslems unterstützt, den Ministerpräsident

Fazit nach den Wahlen: Wenn Indien auch ein politisch buntes Land mit säkularer Demokratie bleibt, sind die einzelnen Bundesstaaten doch unterschiedlich geprägt. Oft genug ist dabei die Regional- und die Landespolitik für das Zusammenleben der Menschen ausschlaggebend.