Besuch des Shalom-Zentrum in den Jelligiri-Bergen
Welcome in Paradise. Punkt oder Fragezeichen? Die mich umgebende Vegetation fordert da sogar ein Ausrufezeichen. Oft habe ich sie in vorigen Reiseberichten beschrieben, von den unterschiedlichen Bäumen, Büschen und leuchtenden Blüten geschwärmt, von dem Blick auf den in sanften Morgennebel eingehüllten "Hausberg", geht man aufs Dach des Hauses, und von den erwachenden Vögeln ... All das ist auch heute, allerdings nebst einer wirklich kühlen Brise aus Osten, lebendig und gerade für einen Urlaubstag überaus attraktiv. Wäre da nicht dieser Köter von Gestern. Er jault das optische und vegetative Paradies zunichte und raubt ihm jede Ruhe. Und was ist schon ein Paradies ohne Ruhe? Der wahrscheinlich junge Hund vom benachbarten CVJM-Gelände jault, quiekt, jammert, fiept und ... ich weiß manchmal garnicht, ob es wirklich ein Hund sein kann, der diese Geräusche hervorbringt. Mal ist er wieder still, hat man sich jedoch gerade zurückgelehnt um sich paradiesischer Tee- und Morgengenüsse hinzugeben, legt er erneut los. Es ist wirklich bedenklich, dass es offenbar nur eines einzigen Hundes bedarf, um das Paradies zu entheiligen, ihm seine Wirkung und Ausstrahlung zu nehmen. Vielleicht liegt es daran, dass mein Gefühl nicht mehr entscheiden kann, ob es sich an den Augen und dem was ich sehe oder an den Ohren und dem was ich höre orientieren soll ...
Zwar wache ich schon mal Nachts auf, schlafe dann jedoch unter der wärmenden dicken Decke bis 7.00 Uhr. Ich bin ausgeruht, allemal jetzt beim Tee auf der Terrasse, während ich schreibe. Die Lifetrainees fegen wieder, treffen sich um einen Krug mit Wasser zur kurzen Pause und gehen dann ihren Beschäftigungen nach: Fegen, Kochen, Gartenpflege, Tiere versorgen und sich um die heute nur zwei Gäste kümmern. Es ist inzwischen fast 8.oo Uhr, Zeit zum Duschen ... Es gesellen sich nun auch andere Geräusche zu jenen paradieszerstörenden Jaultönen: Flotte Musik vom Tempel aus dem Dorf. Immerhin neutralisiert sie die Dominanz und alleinige Herrschaft des Jaulers von nebenan.
Wir besuchen die Andacht der Lifetrainees, die am Morgen etwa eine Viertelstunde dauert. Zum Frühstück danach gibt es Doshai und Omelette. Lecker! Um nicht zu enttäuschen essen wir auch eine Scheibe Toast mit Marmelade.
Der Rundgang über das Gelände und durch das Tagungshaus nimmt diesmal nicht mehr als eine Stunde in Anspruch. Jayapaul erzählt davon, dass jedes Jahr eine Schulklasse aus Singapur kommt und hier etwas baut. So ist die Hütte mit Grasdach entstanden, dann ein Teich (der im Moment jedoch mangels Wasser leer ist), dann eine Mauer und Teile des Gartens. Jetzt gerade soll eine Mauer nach Westen zur Straße gebaut werden. Rinder, Hühner und auch Menschen kommen dort durch die Büsche manchmal aufs Gelände. Was im Haus wieder mal auffällt: Es ist extrem sauber. Ich frage Jaya, was die Gäste dazu sagen. Er meint, sie seien extrem erstaunt und sagen dann, so etwas sauberes hätten sie in Indien noch nicht gesehen. Das Verhalten ändert sich: Sie achten die Räume und viele Gruppen hinterlassen sie auch sauber. Simson und die HG sorgen dafür, dass alles nach Verlassen der Gruppe und vor Ankunft der neuen Beleger gesäubert wird.
11.00 Uhr treffen wir uns mit den Lifetrainees. Es sind diesmal 10 Jungen zwischen 17 und 24 Jahren. Alle sind sie Söhne armer Familien, meist mit Kulis als Eltern. Shalom wird sie auch weiter fördern, ihnen Studienplätze vermitteln und auch Stipendien.
Wir erzählen, nachdem sich die Jungs vorgestellt haben, von der Hausgemeinde und Deutschland. Der Film kommt gut an - und nachher gibt es diverse Fragen. Sogar mein kleines iPad reicht für diesen Zweck und alle können gut sehen. Dann überreichen wir MZ-Kugelschreiber und Hemden. Fotos, Gebet und Segen und kurz vor eins beenden wir das Meeting.
Ich sitze noch etwas in der Sonne, döse und beobachte ein Streifenhörnchen. Jayapaul setzt sich zu mir. Er erzählt von Sorgen in ihrer Arbeit. Es ist jetzt in Tamil Nadu ein neues Gesetz für Hostelarbeit verabschiedet worden: Das "Guvenail Justice Act" schreibt vor, wie ein Heim zu führen ist. Es betrifft Brandschutz, Bauvorschriften und Sanitär- und Gesundheitsvorschriften, Tahsil. DAR - Certificate (d.h. der für Soziales Zuständige muss es bescheinigen). Außerdem ist die Mindestzahl der Plätze jetzt auf 25 festgelegt worden, für Shalom mit der Entscheidung, nur bis 20 Kinder zu haben, nicht akzeptabel.
Problem außerdem: Alle Zuständigen wollen Geld für ihre Abnahme sehen. Ohne Bestechung läuft gar nichts. Für Shalom ist die Erfüllung der Bedingungen inhaltlich kein Problem. Doch Jayapaul wollte nicht zahlen - letztlich hat die Ehefrau eines Mitarbeiters das übernommen.
Ein 2. Problem: Ein Komitee "Management Komitee for Childrens Home" muss mit 10 Mitgliedern gegründet werden. Dies sollen 5 Regierungsmitglieder sein (Child welfare comitee member, Child protection council, Social welfare dep., Gov. Doctor, local counciller) die anderen 5 kommen von der NGO. Die Größe des homes ist dabei egal.
Wenn sowas auch in A.P. greift, wird es fas unmöglich, die Heime zu erhalten. Allerdings meint Jayapaul, dass A.P. den NGOs gegenüber freundlicher ist als in T.N., wo manche meinen, der Staat müsse alles machen.
Ferdinand spielt mit den Lifetrainees Volleyball. Er erzählt später, dass er wohl bei den Verlierern war. Immerhin, sie sind alle fröhlich. Gegen fünf machen wir einen Spaziergang und bewundern die liebliche Landschaft. Der Verwalter von Haus und Grundstück eines reichen Fahrstuhlfabrikanten namens Johnson lädt uns ein, das Gelände zu begutachten und es öffnet sich das eiserne Tor, das bisher verschlossen war. Zuerst denke ich, da relativ kleine aber nette Haus dahinter sei das des Reichen - es ist nur das des Verwalters. Der junge Mann führt uns den Weg hinauf. Ein großes Haus mit vielen Terrassen präsentiert sich auf dem Hügel. Der Rundblick ist phänomenal. Auf drei Seiten kann man ein wunderbares Panorama genießen und die zwei Terrassen sind so gebaut, dass man Morgens bis Abends in der Sonne sitzen kann. Nur der Pool fehlt. Ansonsten ist auch die Anlage schön gemacht: Mit kleinen Fels, Baum und Blumengruppen, Rasen dazwischen und Naturmauern. Ein kleiner exotischer Park für Blüten aller Art und diverse Sorten von Kakteen.
Mindestens ebenso interessant ist der anschließende Besuch beim mir ja inzwischen recht bekannten Rosenzüchter. Die Frau erkennt mich sofort, der Alte dann auf den zweiten Blick. Wieder schenkt er mir eine Rose. Ich bewundere die neue Straße, die zum Hof führt. Sie wurde offenbar staatlich gebaut, wofür auch immer. Der Tempel des Rosenzüchters ist inzwischen auch aus Stein. Ich erzähle ihm die Biografie Esther Ranis ... auch sie hat Gott erreicht, warum also nicht diesen Mann noch im Alter von 65 Jahren.
Wir besuchen noch das Dorf und den kleinen, nun mit bunten Lampen geschmückten Dorftempel. Ferdinand darf die Kamasutra-Darstellung bewundern. Dann besuchen wir noch kurz das Haus einer Frau, deren Tochter in Shalom aufgewachsen ist und nun als Krankenschwester ihr verdientes Geld nach Hause schickt. So machen es viele Kinder, die eine gute Ausbildung machen konnten, zum Teil wegen Shalom. Sie haben Arbeit bekommen und unterstützen ihre Familien, die dann sogar ein festes Haus bauen können. Hütten gibt es inzwischen nur noch wenige im Dorf.
Das Abendgebet ist um 19.30 Uhr. Ich halte eine Weihnachtspredigt zu Joh.1,14. Danach schauen wir noch Fotos von Weihnachten an und dann Google-Earth. Das beeindruckt sichtlich. Mal Indien und Yelligiri von oben zu sehen ist schon etwas Besonderes. Hanstedt kann ich ihnen leider nicht zeigen, da ich die Karte nicht gespeichert habe. 19.30 Uhr haben wir noch etwas Zeit, dann kommt das Abendessen. Und wieder wird etwas extrem Leckres serviert: Gemüsedoshai, Gemüseomelette und Sauße. Zum Nachtisch gibt es dann supersüße Papaja und Milchreis mit Casewnüssen. Lecker!!
Wir unterhalten und mit Jayapaul. Es geht um Kirche, um Sünder und um uns selbst. Witzig, teilweise ... Jesus hatte es gut. Er hatte nur einen einzigen Judas unter seinen Jüngern. Ja, es ging natürlich auch wieder um die Judasse in den Kirchen. Jayapaul erzählt, dass die CSI in Kürze Wahlen hat. Sie verliert unglaublich an Mitgliedern - auch weil die Leute inzwischen die Machtkämpfe durchschauen und von der Kirchenpolitik tief frustriert sind. "Die machen mehr Politik als die Parteien während des Wahlkampfes!" meint Jayapaul und ich ahne, was er meint.